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Hier lagert euch im Kreise In's allerneuste
Grüne, Im Schatten der Ruine, Hier säuselt es so
frisch! Hier lebt auf ält'ste Weise: Die Diener sind die
Hände, Die Mauern Blüthenwände, Die Erde ist der
Tisch.
Spät in Elysiums Auen, Wohin die Mumie wollte Im
Munde mit dem Golde, O seht, da sind nun wir! So überblüht zu
schauen, So voller Gnüg' und Frieden — Der Hain der
Hesperiden, O seht, das ist er hier!
Doch haben wir, die
Gäste, Auf diesen grünen Höhen Uns lange nicht
gesehen, Wohl hundertausend Jahr! Am feierlichen Feste Laßt
Alte mit den Neuen Sich hier zusammen freuen Und manches lebe
Paar.
Der Wasserfall, die Wiesen Die gar so heitren
Höhen, Wenn wir sie recht besehen, So ist's die Erde
noch! Sie ist's nach allem diesen: So lebe denn die
Alte, Die ewig neu gestalte, Die Erde lebe hoch!

Und schön ist sie, wie immer, Erst recht mit diesen
Resten, Bestreift von Blüthenästen, So rührend, so
allein! Die alt-ehrwürd'gen Trümmer Mit Ephen reich
behangen, Mit 'Himmelglanz umfangen — Kann etwas schöner
sein?
Und dort blickt, die Holde, Dort um die alte
Säule Schon eine ganze Weile Mit lieblichem Gesicht So hell
im Abendgolde — Ich gäb' die jungen Glieder, Um frische Tempel
nicht Um zehn Sibyllen nicht!

Wen je ein Aug' entzückte, Um wen in stillen
Nächten Ein Arm mit Liebesmächten Sich wand ein Diadem; Wen
je ein Freund beglückte, Der werf in's Glas die Blume Und
trink' dem Alterthume Ein dankbar Requiem!
Ihr aber holt
Geweihten, Aus aschenstillen Tagen Die Lieder und die
Sagen, Holt alles Schön' herauf! Verjüngt die alten
Zeiten, Erfüllt der Vorwelt Träume, Und stahlt als Herrn der
Räume Gleich Frühlingssternen auf!
So blüht, nach dem
Gewitter, Wie neue Rosen schwellen Auf alten Rosenstellen
— Die Erd' ist euch bereit! Vor eurer Brust die
Zither, Beschwebt mit reinem Flügel Die überbunten
Hügel, Sie sind nun euch geweiht.
Nun lagert sich die
Sonne Zu uns herab in Blüthen, Die lang schon vor ihr
glühten, O seht, sie kommt, sie blinkt! Nur immer näher,
Sonne, Hier, herein! erfülle Mit deinem Glanz die
Stille! Ach nein, — sie geht, sie sinkt.
So sinke sanft
denn nieder Und laß und hier gewöhnen An dein fortew'ges
Tönen, An solchem neuen Ort! Komm' morgen früher
wieder, Und schenke deinen Söhnen Den Segen alles
Schönen, Und durch und Allen fort!
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Tivoli Horat
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